Milliarden-Immobilien werden verschleudert, Wasserwerke gegen den Willen der Bevölkerung an Konzerne vertickt, ganze Banken gehen zum Billigpreis an dubiose Käufer – in den Krisenländern Europas steht das öffentliche Eigentum zum Verkauf. Oligarchen und Finanzinvestoren spielen ein gigantisches Monopoly. Die Gläubiger haben die Regeln zu Gunsten der Zocker geändert: Im Europoly stehen die Verlierer von Beginn an fest. Eine Anleitung in drei Kapiteln. [Quelle …] http://europoly.tagesspiegel.de/
Das Wasserwerk – oder: wie die Troika Wasserprivatisierung vorantreibt
Was passieren kann, wenn die Privatisierung durchgesetzt wird, das könnten die Einwohner von Thessaloniki von portugiesischen Gemeinden lernen. Hier ist das System etwas anders geregelt als in Griechenland. Auf kommunaler Ebene können Gemeinden schon jetzt Verträge mit privaten Firmen schließen, wenn es um die reine Verteilung des Wassers geht. Die Aufbereitung ist dagegen in Staatshand – zumindest noch. Der Staatskonzern „Aguas de Portugal“ steht zwar nicht direkt auf der Troika-Privatisierungsliste, soll aber neu strukturiert werden und die Möglichkeit haben, „Lizenzverträge mit privaten Unternehmen zu schließen“. So beschreibt es eine PR-Frau des Unternehmens. Der Konzern bliebe also staatlich, die Werke würden aber faktisch von Privatunternehmen betrieben.
Miguel Costa Gomes will das unbedingt verhindern, deshalb ist der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Barcelos aus dem Norden des Landes extra nach Lissabon gereist. Er sei kein Linker, bitte, das sei ihm wichtig, sagt er beim Treffen in einer schicken Hotellobby, er sei selbst Unternehmer. Aber das mit der heimlichen Wasserprivatisierung, das sei schrecklich. Seine Heimatgemeinde habe unter seinem Vorgänger einen Vertrag mit einem privaten Wasserkonzern geschlossen. Obwohl seine Bürger seit Jahren im Schnitt 68 Liter Wasser pro Tag verbrauchen, garantierten die Verträge von damals einen Durchschnittsverbrauch von bis zu 165 Litern pro Tag. „Keine Ahnung, wie jemand so eine Zahl in den Vertrag schreiben konnte“, schimpft Costa Gomes heute. Er würde den Vertrag gerne auflösen, doch offiziell schuldet Barcelos dem Unternehmen nun 165 Millionen Euro.
Der Bürgermeister von Barcelos trifft in Lissabon auf seinen Kollegen aus Pacos de Ferreira, einer Gemeinde, die nur eine halbe Stunde von Barcelos entfernt liegt. Humberto Brito hat einen Termin vor Gericht. Er will seinen Ort aus einem Wasservertrag herausklagen, denn zum Zurückkaufen fehlt auch hier das Geld. Die Wasserpreise in seiner Gemeinde sind in den vergangenen sechs Jahren um 400 Prozent gestiegen – ganz als hätten sich die Betreiber direkt am Monopolyspiel orientiert: Wer hier auf dem Wasserwerk landet, muss das Vierfache der gewürfelten Summe zahlen. Brito war früher Anführer der lokalen Anti-Privatisierungskampagne, dann wählten ihn die Leute zum Bürgermeister. Sie müssen fast 20 Prozent ihres Einkommens für Wasser ausgeben, klagen sie öffentlich.
„Das kann auf alle Portugiesen zukommen, wenn wir die Privatisierung nicht stoppen“, warnt Miguel Costa Gomes. Er verstehe nicht, dass die Wasserprivatisierung in den Krisenländern durchgedrückt werde, obwohl sie doch in Europa sonst so umstritten sei. Und was sagt die Kommission? Die hält sich offiziell raus. „Es gibt keinen Druck seitens der EU, auch nicht in Programm-Ländern, den Wassersektor zu privatisieren. Die Kommission nimmt eine neutrale Haltung ein“, sagt ein Kommissionssprecher.
Allerdings heißt es im Revisionsbericht der Troika zu Portugal: Es werde erwogen, „Wasseraktivitäten privatem Kapital und Management zu öffnen“. In Griechenland hat die Troika vorsorglich bereits begonnen, eine Regulierungsbehörde aufzubauen, die ein privates Management der Wasserwerke überwachen soll.
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